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§ 2325 Abs. 1 BGB: „Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.“

§ 2325 Abs. 3 BGB: „Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.“

Klingt kompliziert, ist es auch. Zumindest ein wenig. Daher der Reihe nach:

I. Grundgedanke

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch soll den Pflichtteilsberechtigten vor einer Aushöhlung des Nachlasses durch lebzeitige unentgeltliche Zuwendungen des Erblassers an dritte Personen schützen. Für diese Fälle schafft der Pflichtteilsergänzungsanspruch einen Ausgleich. Um die Mindestbeteiligung am Nachlass zu realisieren, partizipieren die Pflichtteilsberechtigten rechnerisch über den realen Nachlass hinaus auch an den unentgeltlichen Vermögensverfügungen des Erblassers in den letzten 10 Jahren vor dem Erbfall.

Zu beachten ist, dass die Schenkungen wirksam bleiben. Die Ergänzungspflicht entsteht ohne Rücksicht auf den Umfang der Schenkungen und, anders als bei § 2287 BGB, unbeschadet, ob der Erblasser eine Benachteiligung des Pflichtteilsberechtigten beabsichtigt hat.

Schuldner des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist in erster Linie der Erbe, da es sich um eine Nachlassverbindlichkeit handelt, unter Umständen kann sich der Anspruch aber auch gegen den Beschenkten selbst richten, vgl. § 2329 BGB.

II. Berechnung

Für Erbfälle, die nach dem 31.12.2009 eintreten, sieht § 2225 Abs. 3 BGB eine sog. Pro-Rata-Regelung vor:

Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Erst wenn zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen sind, bleibt die Schenkung zur Gänze außer Betracht.

Beispiel: Sind seit der Schenkung bereits sechs Jahre verstrichen, so wird die Schenkung nur noch in Höhe von 40 % berücksichtigt.

Bei der Berechnung des Wertes des verschenkten (nicht verbrauchbaren) Gegenstandes ist zwischen dem im Zeitpunkt der Zuwendung und dem bei Todesfall zu unterscheiden. Gerade bei dem praktisch wohl relevantesten Fall der Übertragung einer Immobilie können diese Werte ganz erheblich divergieren. Hier gilt nach § 2335 Abs. 2 BGB das sog. Niederstwertprinzip. Danach kommt der Gegenstand mit dem Werte in Ansatz, den er zur Zeit des Erbfalls hat; hatte er zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert, so wird nur dieser in Ansatz gebracht.

In Höhe dieses Wertes wird der verschenkte Gegenstand sodann dem Nachlass (fiktiv) hinzugerechnet. Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten erhöht sich mithin entsprechend seiner Quote am Nachlass.

Exkurs: Nach früher geltenden Rechtslage galt noch das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“. Waren seit der Schenkung mehr als zehn Jahre vergangen, wurde diese gar nicht mehr berücksichtigt. Waren seit dieser aber noch keine zehn Jahre vergangen, etwa erst 9,5 Jahre, so wurde diese mit ihrem vollen Wert in Ansatz gebracht.

III. Ausnahmen

Bei Schenkungen an den Ehegatten bzw. den Lebenspartner beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft (§ 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB, ggf. i.V.m. § 10 Abs. 6 S. 2 LPartG). Zudem sind ferner sog. Pflicht- und Anstandsschenkungen von der Ergänzungspflicht ausgenommen, vgl. § 2330 BGB.

Obacht:

Nicht zuletzt im Hinblick auf steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten werden Immobilien oftmals im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge („Schenkung mit der warmen Hand“) unter Vorbehalt eines Nutzungsrechts für den Übertragenden, bspw. eines Nießbrauchrechts, übertragen.

Der Anlauf der Zehn-Jahres-Frist wird trotz des erfolgten Eigentumswechsels nach Ansicht des BGH aber auch dann gehindert, wenn der Erblasser den verschenkten Gegenstand sei es auf Grund vorbehaltener dinglicher Rechte, sei es durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche, im Wesentlichen weiter nutzt; dies gilt insbesondere für einen bei der Übergabe vorbehaltenen (Total-)Nießbrauch oder ein vorbehaltenes dingliches Wohnungsrecht, wenn dem Eigentümer keinerlei eigenständige Nutzungsmöglichkeit belassen wird. Probleme bereitet insbesondere die Behandlung von Teilnutzungsrechten wie Bruchteils- und Quotennießbrauch, mit der Festlegung der „Wesentlichkeitsgrenze“.

Kompliziert wird es hier auch bei der Feststellung des maßgeblichen Wertes. Unter Umständen ist hier der zu ermittelnde Wert aufzuteilen in den kapitalisierten Wert des dem Erblasser vorbehaltenen Nießbrauchs (Wohnungsrechts) einerseits und den Restwert des Grundstücks andererseits.

Fazit: Das Thema der Pflichtteilsergänzung ist komplex und bietet durch viele Ausnahmen Stolpersteine, die im Nachhinein teilweise kaum heilbar sind bzw. mit unnötigen weiteren Kosten verbunden sind. Wir beraten Sie daher gerne bei der Gestaltung der (vorweggenommen) Erbfolge sowie bei der Durchsetzung und/oder Abwehr von Pflichtteil(ergänzungs-)ansprüchen.

Lassen Sie sich gerade bei der Gestaltung hierzu auch gerne steuerlich beraten.