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Begrüßenswertes Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, Urt. v. 12.11.2020, Az. 6 U 210/1.

Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung wegen einer unzulässigen geschäftlichen Handlung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

Über 240 Abmahnungen in einem Jahr auszusprechen, die sich auf Verstöße ohne unmittelbaren wirtschaftlichen Bezug zum Abmahnenden beziehen, spricht nach dem OLG für ein für solch missbräuchliches Vorgehen. Dem Abmahnenden stehen deshalb keine Ansprüche auf Erstattung der für die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten zu.

Die klägerische GmbH hatte ein Reisebüro erfolglos abgemahnt, weil deren Webseite keinen klickbaren Link zur europäischen Streitschlichtungsplattform für Streitschlichtungen im Online-Handel (OS-Plattform) enthielt. Die Verlinkung zu der OS-Plattform ist allerdings für alle Online-Händler Pflicht.

Laut Gericht ist es unzulässig, Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassen wegen einer unzulässigen geschäftlichen Handlung geltend zu machen, wenn dies vorwiegend dazu diene, “gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.” Von einem Missbrauch sei auszugehen, wenn das “beherrschende Motiv sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind.”

Dem OLG zufolge spricht bereits die hohe Zahl von über 240 Abmahnungen innerhalb eines Jahres, die sich in fast allen Fällen auf die fehlende Verlinkung zur OS-Plattform oder auf die Verletzung anderer Pflichten von Diensteanbietern bezogen, für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der GmbH. Sie werde durch die Verstöße nicht unmittelbar in ihrer wirtschaftlichen Betätigung berührt. Auch ihr Marktzugang werde durch die fehlenden Links nicht erschwert.

Zu berücksichtigen sei auch, “dass die Klägerin – wenn überhaupt – nur vorübergehend und in sehr speziellen Segmenten des Reisevermittlermarktes tätig ist,” betont das OLG in einer Mitteilung. “Ihren eigenen Angaben nach befinden sich die meisten ihrer angeblichen Tätigkeiten im Planungsstadium und dies seit mehreren Jahren”, hieß es weiter. Das Verhalten der GmbH lasse laut Gericht “daher nur den Schluss zu, dass es ihr in erster Linie darum geht, sich im Zusammenwirken mit ihrem Prozessbevollmächtigten durch die Abmahntätigkeit eine Einnahmequelle zu erschließen”.

Bis heute erlaubt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Händler für Kleinigkeiten abzumahnen. Dies hat sich gerade in den vergangenen Jahren zu einem Problem für viele Onlinehändler entwickelt. Mittlerweile haben einige Anwälte und Vereine aus Abmahnungen ein Geschäftmodell entwickelt. Sie suchen akribisch nach kleinen Fehlern in den Auftritten der Onlineshops, etwa abgekürzte Namen im Impressum oder einen falschen Link, mahnen die Händler ab und fordern nebst Vergütungsrechnung meist zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf.

Die Abgabe einer strafbewehrte Unterlassungserklärung stellt abstraktes Schuldanerkenntnis gemäß §§ 780, 781 BGB dar. Damit ist gemeint, dass die Unterlassungserklärung eine neue, selbständige Verbindlichkeit darstellt, aus der der Gläubiger bei Verstößen weitestgehend unabhängig von der materiell-rechtlichen Lage gegen den Schuldner vorgehen kann.

Regelmäßig liegt der Abmahnung eine Unterlassungserklärungsvorlage bei. Der Abmahner kann vom Abgemahnten allerdings nicht verlangen, gerade diese Vorlage zu unterzeichnen. Selbst wenn die mit der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche berechtigt sind, besteht nur ein Anspruch auf Abgabe einer rechtlich zufriedenstellenden Unterlassungserklärung. Da die Unterlassungserklärungsvorlagen oft zu Gusten der Rechteinhaber formuliert sind, empfiehlt sich meist die Abgabe einer zu Gunsten des Abgemahnten veränderten (= modifizierten) Unterlassungserklärung.

Tipp: Trotz der kurzen Fristen von oft unter einer Woche ab Zugang der Abmahnung sollten Betroffene Ruhe bewahren. So kurz bemessene Fristen sind auch hier grundsätzlich unwirksam und führen neben erheblicher Druckausübung lediglich dazu, dass die eigentlich „angemessene“ Frist in Gang gesetzt wird. Auf die Erstellung der Unterlassungserklärung ist schließlich große Sorgfalt zu verwenden, da die Unterlassungspflicht lebenslang gilt. Wird gegen die Unterlassungserklärung verstoßen, drohen hohe Vertragsstrafen.

Daher lohnt es sich durchaus, eine erhaltene Abmahnung anwaltlich prüfen zu lassen.